Atlantismechanismen


Zu den Arbeiten von Uwe Büchler


Die kulturelle Erinnerung ist ein riesiger Kontinent, für den es unzählige Eroberer gibt und geben wird und von denen jeder neue Gesichtspunkte oder unerforschte Landschaften entdecken wird, um sie dann neu zu interpretieren. Diese Zugehensweise stellt eine unerschöpfliche Quelle dar, die für Künstler immer faszinierend bleibt; sie bietet ein Repertoire von Bildern, die sich immer wieder erneuern und die bereichert werden durch Entdeckungen, die die Künstler machen oder noch machen werden.

Eine dieser Entdeckungen sind die Atlantismechanismen von Uwe Büchler, bei denen die Kunst wieder in Bezug zur Archäologie gesetzt wird. Die Archäologie hat es immer mit unsichtbaren Speicherungen zu tun, von denen nur zufällige Bruchstücke ans Licht kommen. Die ausgestellten Kulturzitate, diese Fragmente des Ver- und Zerstreuten verweisen auf eine untergegangene Epoche, die anscheinend über eine hochentwickelte Architektur verfügte, welche für den Betrachter allerdings nie ganz einsichtig und benennbar wird. Zum Selbstverständnis dieser „Spurensicherung“ Büchlers gehört die scheinbare Wissenschaftlichkeit. Er gräbt aus, legt Inventare und Bestände an und kombiniert die Fossilien mit „Landkarten“, auf denen die Fundorte der archaischen Fragmente markiert werden. Die den Fundstücken unterlegten Landschaften sind mittels des Computers und eines Fraktalgenerators imaginierte virtuelle Welten und haben wie die Relikte der untergegangenen Epoche keinen Referenten in der Geschichte oder der Wirklichkeit. So sind die Wandobjekte Büchlers Beispiele gewollter, provozierter Ungleichzeitigkeit, die der Tyrannei der Zeit und der Geschichte entkommen, indem sie trotz ethnographischer und archäologischer Mimikry ein „Museum ohne Geschichte“ kreiern.

Die vom Computer erzeugten farbigen Kopien können bei Büchler zusätzlich mit seriell angelegten, meist nichtfarbigen, geometrischen Elementen kombiniert werden. Ein streng abgestufter Aufbau macht dann aus ihnen ornamentale Monumente im Sinne eines abstrakten Klassizismus. Eine zusätzliche Semantisierung erfahren die imaginären Welten der Simulation durch eine Vergitterung des „Landschaftsraums“, so daß der Betrachter quasi durch ein Fenster auf die Wandsituationen blickt.

Werner Marx
Kunsthalle Mannheim



back

archive

home

Datenschutz